Software regiert die Welt - und mittlerweile haben alle Industriezweige einen unstillbaren Hunger danach. Allerdings gibt es die Software, die Unternehmen heute am häufigsten brauchen, nicht von der Stange. Sie haben eher Bedarf nach Anwendungen, die firmeneigene Geschäftsprozesse und Abläufe digital abbilden. Meist verarbeiten diese Apps Daten aus verschiedenen Standardanwendungen und lösen daraufhin bestimmte Aktionen aus. Und da Unternehmen sehr viele solcher Abläufe haben, die sich noch dazu häufig ändern, brauchen sie einen Weg, solche Apps möglichst schnell, effizient und flexibel zu erstellen.
Low-Code-Plattformen haben sich in den letzten Jahren als Königsweg für diesen Zweck etabliert. Sie ermöglichen Programmierung auf einer hohen Abstraktionsebene und halten die Menge an Code, die von Hand geschrieben werden muss, auf ein Minimum. Waren sie ursprünglich nur für professionelle Programmierer gedacht, treten sie nun in eine neue Phase und erweitern ihre Zielgruppe.
Der Anwenderkreis von Low-Code-Tools besteht immer mehr aus sogenannten Citizen Developern, also von Fachbereichsmitarbeiter*innen, die keinen IT- oder Software-Hintergrund haben. Dafür kennen sie die Prozesse ihres Geschäftsbereichs umso besser und wissen, wo sie mit einer Lösung ansetzen können. Low-Code-Tools geben ihnen die Möglichkeit, genau das ohne Programmierkenntnisse zu tun - über eine grafische Benutzeroberfläche und Flow-Diagramme.
Citizen Development hat das Potenzial, die Werkbank der Software-Entwicklung um ein Vielfaches zu verlängern und so dem IT-Fachkräftemangel effektiv entgegenzuwirken. Die bisherigen, meist erfolgreichen Erfahrungen bestätigen diese Hoffnung und Low-Code-Plattformen wird für die kommenden Jahre eine große Zukunft vorausgesagt.
Doch viele IT-Profis und professionelle Developer stehen dem Trend noch skeptisch gegenüber. Das Versprechen von Low-Code ist ihnen etwas zu hoch gestapelt. Hashtags wie #eventuallyyouwillneedsomecode machen auf Xing und LinkedIn die Runde.
Eine Plattform für die Governance
Die Befürchtungen der Profis kreisen meist um drei Bereiche:
App-Wildwuchs bzw. Schatten-IT durch die massenhafte Erstellung von Anwendungen jenseits der Aufsicht der zentralen IT;
Sicherheitslücken durch eine hemdsärmelige Haltung gegenüber Richtlinien und Governance und
jede Menge Mehrarbeit für die IT, um die Arbeit der Citizen Developer gemäß der festgelegten Unternehmensstandards zurechtzubiegen.
All das kann natürlich eintreten, wenn man Citizen Development unbeaufsichtigt und unkoordiniert seinem Schicksal überlässt. Aber das muss man nicht. Es wäre sowieso fahrlässig angesichts der Tatsache, dass gute Low-Code-Plattformen meist eine Governance-Instanz bieten, welche der zentralen IT hilft, Citizen Development zu beaufsichtigen und zu steuern.
Bei der Power Platform von Microsoft heißt diese Instanz Center of Excellence (CoE). Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Tools und Best Practices, die generell die Arbeit mit der Power Platform unterstützen und insbesondere Low-Code-Entwicklung mit den Power Apps und Power Automate in geordnete Bahnen lenken.
Neue Rollen für Pro- und Citizen Developer
Citizen Development erfordert die Expertise der Professional Developer. Sie unterstützten beim Application Lifecycle Management und binden fremde Datenquellen an.
"Das CoE ist der Startpunkt, wenn es darum geht, Low-Code-Entwicklung im Unternehmen einzuführen", sagt Alexandra Laumann, Customer Success Manager bei Microsoft. "Es bietet eine Reihe sogenannter Starter Kits für die Governance von Citizen Development. Dazu gehören Best Practices zum Beispiel für das Onboarding der Citizen Developer in den Entwicklungsprozess oder um eine Developer Community zu gestalten und aufzubauen. Alles in allem viel wertvolle Unterstützung, um das Thema geordnet anzugehen."
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Was beim Center of Excellence im Vordergrund steht, ist eine Plattform zu schaffen, auf deren Basis das kreative Zusammenspiel zwischen den Software-Profis und den Citizen Developern stattfinden kann. "Citizen Development soll ein Teamsport sein", sagt Duc Nguyen, Subject Matter Expert for Business Applications bei Microsoft. "Während Citizen Developer sich auf den Use Case konzentrieren, liefert die IT das Framework, um die App zu erstellen, und achtet darauf, dass die Anwendungen alle Security- und Governance-Anforderungen erfüllen, dass es keine Doppelungen mit bereits existierenden Apps gibt, etc."
In der Praxis sieht dieser Prozess so aus, dass Fachbereiche ihren Use Case anmelden und die IT den Citizen Developern ihre Entwicklungs-, Test- und Betriebsumgebung bereitstellt. Dazu gehören auch die APIs und Datenkonnektoren, die notwendig sind, um die Anwendung zu betreiben. Außerdem achtet sie darauf, dass eine Anwendung alle Rahmenbedingungen hinsichtlich Compliance und Sicherheit einhält, bevor sie freigeschaltet wird.
Der Verdacht, dass es sich hierbei um ein Top-Down-Verhältnis handelt - die IT oben, die Fachbereiche unten - ist unberechtigt, bekräftigt Duc Nguyen. Vielmehr handle es sich um eine sinnvolle Aufteilung der jeweiligen Kompetenzen. "Die Fachbereiche kennen ihre eigenen Use Cases viel besser als die IT, aber die IT kennt all die Möglichkeiten, eine Lösung zu gestalten und Apps umzusetzen."
Auch die Vermutung, stringente Prozesse könnten Innovationen im Weg stehen, weist Laumann zurück: "Es gibt Kunden, die praktisch jeden Nutzer befähigen, mit den Power Apps zu arbeiten, ohne die IT hinzuziehen zu müssen. Das ist sicherlich der schnellere Weg zur Innovation, setzt aber voraus, dass im Vorfeld die Governance-Struktur über das CoE so aufgesetzt wurde, dass Wildwuchs und Sicherheitslücken verhindert werden. Auch muss im Vorfeld der Prozess festgelegt worden sein, wie IT und Fachbereiche zusammenarbeiten."
Fusion Development als perfektes Zusammenspiel
Diese gut abgestimmte, optimierte Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen läuft bei Microsoft unter dem Begriff Fusion Development. Das Center of Excellence unterstützt diese Kooperation nicht nur mit seinen Best Practices, sondern auch mit einer Reihe von Applikationen, welche die Innovationstätigkeit fördern sollen.
Der Innovation Backlog zum Beispiel ist eine Art Repository für innovative Use Cases, die über die Zeit zusammenkommen. Eine andere ist der App-Katalog, der alle Anwendungen und ihre Use Cases im Unternehmen listet. Das hilft einerseits, doppelte Arbeit zu vermeiden, andererseits weist es auf Apps hin, die lediglich etwas modifiziert werden müssen, um einen neuen Use Case abzubilden.
Auf Fusion-Development-Workshops haben Profi-Entwickler häufig ihr Aha-Erlebnis, berichtet Laumann. "Sobald sie ein vollständiges Bild von der Rollenaufteilung und vom gesamten Entwicklungsprozess haben, werden ihnen auch die Vorteile von Citizen Development für ihre Arbeit klar", sagt sie. Letztere bestehen mitunter darin, dass sie sich nun auf die tiefen technischen Projekte konzentrieren können, während sich Citizen Developer um einen Großteil des Bedarfs ihrer Fachbereiche kümmern.
Wollen Sie sich selbst ein Bild von Citizen Development und der Rolle des Center of Excellence machen, empfehlen wir Ihnen diese YouTube-Playlist mit Videos über effiziente Low-Code-Entwicklungen.
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