Mixed Reality trug lange die typischen Anzeichen eines Hypes: Während Technik-Evangelisten glänzende Augen bekamen, runzelten IT-Entscheider*innen und Führungskräfte in den Unternehmen die Stirn. Wo bitte liegt der Business-Case?
Der hat sich in der Pandemie offenkundig gezeigt: Mixed Reality wird mittlerweile an vielen Stellen in der Fernwartung eingesetzt und spart an Reisekosten und Expertenstunden. Maschinenbau-Unternehmen haben Mixed Reality heute vielfach als festen Bestandteil in die Services für ihre Kunden integriert.
Die nächste Entwicklungsstufe ist bereits zu erkennen. Die Kombination von Mixed Reality mit KI-Tools ermöglicht ungeahnte Effizienzsteigerungen. Einige Unternehmen haben das bereits umgesetzt, einige Cases stellen wir hier vor.
Das Potenzial ist enorm: Einer Prognose von IDC aus dem August 2021 zufolge soll der Umsatz mit Augmented und Virtual Reality 2022 rund 372 Milliarden Dollar betragen und bis Ende 2025 auf über 542 Milliarde klettern. Die Prognose umfasst alle Arten von Hardware und Anwendungen bis hin zu den Brillen mit unterschiedlichen Technologien.
Können Wartungsteams nicht reisen, sind sie virtuell vor Ort
Viele Unternehmen sind während der Pandemie in das Thema eingestiegen: Expert*innen für Maschinen und Anlagen konnten nicht mehr reisen. Ihre Expertise wurde dennoch dringend benötigt. Mit Mixed-Reality-Systemen können sie Kollegen und Kolleginnen vor Ort nicht nur über die Schulter schauen, sondern quasi mit deren Augen sehen.
Denn im Gegensatz zu Virtual Reality bleibt bei Augmented Reality die reale Umgebung weiterhin sichtbar. Sie wird durch digitale Inhalte überlagert und erweitert. Das erlaubt es, während der Nutzung beide Hände frei zu haben. Dieses Konzept setzt sich zunehmend in Unternehmen durch. Zahlreiche Firmen aus der Automobilbranche setzen HoloLens und Mixed Reality bereits erfolgreich für Training und Service ein, das belegen Cases bei Schaeffler, Toyota, Renault, Mercedes und ZF.
Foto: Microsoft
Mixed Reality wird Realität
Diese Use-Cases zeichnen sich oft dadurch aus, dass sich die Anschaffungskosten durch Einsparungen bei Reisekosten und Reisezeit schnell amortisieren. Die Frage nach dem Business-Case ist dadurch einfach zu beantworten.
Solche Cases ließen sich zudem schnell umsetzen. Sie ersetzten einen bisher vorhandenen Prozess – die Reise vor Ort – durch Technologieeinsatz mit einem effizienteren, schnelleren und flexibleren Vorgang: Die Unterstützung mittels Mixed Reality aus der Ferne. Große organisatorische oder technische Veränderungen im Hintergrund waren dafür nicht erforderlich.
Das liegt vor allem daran, dass die Technik schon einige Zeit vor der Pandemie reif war. Die Bereiche Augmented Reality, Virtual Reality sowie Smart Glasses & Datenbrillen haben sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Das ermöglicht es uns inzwischen, so aus der Ferne zu agieren und mit anderen Menschen zu interagieren, als ob wir vor Ort wären.
Mixed Reality mit Fokus auf Produktivität im Business
Zum Beispiel hat Microsoft sein Angebot für Mixed Reality von Anfang an in Richtung Business entwickelt. Schon als im Februar 2016 eine erste "Development Edition" der HoloLens vorgestellt wurde, betonte Microsoft, es ginge darum, "Produktivität neu zu erfinden". Im August 2016 folgte über ein Update die Integration der HoloLens in Windows 10.
Wenig später war die "Commercial Suite" verfügbar. Mit dieser Produktversion standen ein Kiosk-Modus, die Geräteverwaltung über Microsoft Intune sowie Datenverschlüsselung mit Bitlocker zur Verfügung. Hinzu kommen VPN-Unterstützung sowie Support für Azure Active Directory und Windows Update for Business. Damit war das Fundament für die umfassende Integration in Unternehmenssoftware gelegt.
Mittlerweile hat Microsoft solche Lösungen auch in Dynamics 365 integriert. Die für Mixed Reality besonders geeigneten Bereiche Trainings, Field Service und Fernunterstützung sind als Dynamics 365 Guides, Dynamics 365 Field Service und Dynamics 365 Remote Assist bereits besonders weit aufgebaut. Letztere unterstützt zum Beispiel Experten, aus der Ferne über Smartphones oder mit der HoloLens 2 zu interagieren. Erste Einblicke in Dynamics 365 Remote Assist zeigt dieses zweiminütige Video.
All diese Möglichkeiten lassen sich bald auch auf die anderen Dynamics-Produkte der Power-Plattform erweitern, etwa auf Supply Chain Management, Customer Insights und Customer Service oder sogar Sales und Finance. Dafür hat Microsoft bereits die Grundlage gelegt: das Common Data Model gewährleistet, dass es keine Hürden bei der Verbindung mehrerer Anwendungen gibt.
Mixed Reality im Mittelstand
Darüber hinaus sind die Mixed-Reality-Lösungen von Microsoft fest in die Microsoft Power Platform integriert. Daraus haben Partner von Microsoft bereits mehr als 200 Mixed-Reality-Applikationen entwickelt, die spezifische Anforderungen bedienen. Das ermöglichte es Unternehmen in der Pandemie, fertige Anwendungen ohne komplexe eigene Entwicklungsarbeiten nutzen zu können.
Damit ist die Technologie schon in mittelständischen Unternehmen angekommen, wie das Beispiel der schwäbischen Firma Marabu zeigt: Sie liefert Farben und Services für Druckmaschinen weltweit. Mit HoloLens 2 in Kombination mit Dynamics 365 Remote Assist und Dynamics 365 Field Service konnte Marabu seine CO2-Bilanz deutlich verbessern, seit Juli 2021 ist das Unternehmen CO2-neutral.
So profitabel ist Fernwartung
Viele wollen mit Mixed-Reality-Anwendungen Kosten senken. Doch wie können diese Kosteneffekte konkret aussehen? Das zeigt eine Forrester-Studie zum Einsatz von Dynamics 365 Remote Assist anhand eines Praxisbeispiels.
Ein neues Servicepaket ist bereits in Vorbereitung: Es besteht aus HoloLens 2, Remote Assist, Dynamics 365 Guides, Dynamics 365 Field Service und einem bestimmten Techniker-Stundenkontingent. Kunden erhalten so zugesicherte Ressourcen und Servicezeiten – und die Marabu-Expert*innen verbringen deutlich weniger Zeit auf Flughäfen und in Flugzeugen.
Tiefer Einblick: Mixed Reality als Treiber für neue Unternehmensprozesse
Heute ist schon die nächste Entwicklungsstufe zu erkennen: Wird Mixed Reality mit KI-Tools kombiniert, bringt es ungeahnte Effizienz ins Unternehmen. Aufnahmen der HoloLens lassen sich durch KI und ML auswerten und mit diesen Ergebnissen Verbesserungen in der Realität umsetzen.
Ein Beispiel dafür ist die Analyse, ob ein Produktionsband in der Fertigung auch ein wenig schneller laufen könnte. Was als einmaliges Experiment an der tatsächlichen Anlage teuer und riskant ist, lässt sich im virtuellen Raum beliebig oft durchführen. Zeigt die Analyse, dass die Produktion nicht abbricht und der höhere Durchsatz möglich ist, kann die vorab mehrfach geprüfte Änderung tatsächlich umgesetzt werden.
Dieses Verfahren lässt sich auf andere Bereiche übertragen. So nutzt Audi Mixed Reality zur Einrichtung der Fertigungslogistik. Bevor ein neues Fahrzeugmodell produziert werden kann, gilt es, die dafür erforderliche Teilelogistik auch innerhalb des Werks sicherzustellen. Früher baute Audi dafür Prototypen von Behältern und Regalen und klebte Linien auf den Boden der Werkshalle, um den Plan in einer Simulation zu überprüfen.
Heute erlebt das Planungsteam mittels Mixed Reality in der Werkshalle, wie die Logistikstrukturen einmal aussehen werden. Dazu erstellt es aus CAD-Daten von Regalen, Behältern und Bauteilen aus einer Datenbank "digitale Zwillinge" und projiziert die mit der HoloLens 2 in Originalgröße in die reale Umgebung. Passt etwas nicht, ist es mit wenigen Klicks korrigiert.
Foto: Microsoft
Mit Mixed Reality auf die nächste Stufe der Wertschöpfung
Wohin die Reise geht, zeigt sich bereits heute bei Microsoft Mesh, der Mixed-Reality-Plattform für digitale Zusammenarbeit. Nutzerinnen und Nutzer tauchen dabei durch Hologramme in eine virtuelle Welt ein – interagieren aber mit realen Personen oder aus digitalen Zwillingen realer Gegenstände.
Microsoft Mesh ermöglicht beispielsweise bei Online-Meetings das Gefühl, zusammen am selben Ort zu sein. Die Touristikbranche oder Museen könnten damit beispielsweise digitale Besichtigungen anbieten oder Architekturbüros sich gemeinsam mit Kunden und anderen Planern in virtuellen Gebäuden bewegen und Vor- und Nachteile von Änderungen besprechen. Dieses Video erklärt in gut einer Minute, wie Mesh genau funktioniert.
Mixed Reality als Plattform für neue Geschäftsmodelle
Mesh soll künftig Teil einer Plattform werden. So ist geplant, Mesh in Microsoft Teams sowie Dynamics 365 zu integrieren und die Plattform auch an Azure anzubinden. Somit lassen sich auch verschiedene Identitäts-, Security- und Management-Tools aus der Microsoft-Cloud nutzen.
Azure Remote Rendering beispielsweise nutzt die Rechenleistung von Azure, um Modelle in der Cloud zu rendern und in Echtzeit auf die genutzten Geräten zu streamen. Diese 3D-Inhalte haben eine hohe Detailgenauigkeit. Das erlaubt zum Beispiel die kollaborative Designprüfung für komplexe Objekte oder die gemeinsame Besprechung vor einer Operation.
Für korrekte räumliche Zuordnung von digitalen Informationen und deren richtige Ausrichtung sorgen Azure Spatial Anchors und Azure Object Anchors. Der Vorgang ist komplex, der Nutzen an Beispielen leicht einsehbar. So lassen sich etwa selbst große Anlage als virtuelles Bild aufbauen und Fehlermeldungen oder Wartungsinformationen direkt am Virtual-Reality-Gerät ablesen. Das Wartungs-Team hat dennoch beide Hände frei. Auch Schulungsmaterialien und Schritt-für-Schritt-Anleitungen lassen sich damit erstellen.
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