Irgendwie wurzelt alles in der griechischen Mythologie, bei Homer und der Wikipedia – dort findet sich der Begriff Mentor für den „älteren, klugen und wohlwollenden Berater eines jungen Menschen“. Das entspricht dem klassischen Top-Down-Ansatz.
Stellt man diesen in Frage, stößt man auf „jüngere, kluge und wohlwollende Berater eines älteren Menschen“. Dieses Reverse Mentoring wird immer relevanter, je schneller sich digitaler Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel abspielen – und je größer der Spalt zwischen den Generationen wird. Nur: Wie kommen junge und erfahrene Menschen an einen Tisch?
Einen Ansatz entwickelt haben drei Absolventen des Aspire-Traineeprogramms von Microsoft, erläutert Partner Technologie Strategist Akio Nürnberger: „Wir wollten eine Institution schaffen, in der Top-Manager außerhalb der Hierarchie Feedback erhalten zu Themen, die für Millennials und die Gen Z spannend sind.“ Wichtig war dem Team, dass die Initiative einen Impact sowohl für CTOs als auch für Tech-Führungskräfte von morgen hat.
Im Fokus: gestandene CTOs mittelständischer Industrieunternehmen, die im CTO-Forum des Deutschen Instituts für Erfindungswesen organisiert sind – unabhängig von einer wirtschaftlichen Beziehung zu Microsoft. Das Team rund um Nürnberger entwickelte kurzerhand die Idee, den Industriemanagern „einzigartige Ressourcen“ anzubieten. Gemeint sind junge Nachwuchskräfte aus dem Aspire-Programm von Microsoft, „die mit den CTOs einen interdisziplinären Diskurs um alle Fragen rund um die Digitalisierung führen.“
Wie ticken Digital Natives?
Thematisch sind keine Grenzen gesetzt: Wo informieren sich junge Leute über neue Technologien, welche Digitalmodelle begeistern sie, was ist Nachwuchskräften aktuell am Arbeitsplatz wichtig, und welcher Sinn muss ihnen in der Arbeit aufgezeigt werden? Die Grundlage für den Diskurs sei Offenheit gegenüber neuen Themen, sagt Iptihar Iliyar, Lösungsberater für die Azure Platform und Mitglied des Organisationsteams. „Digitalisierung fängt mit dem richtigen Mindset an, und genau das bringen die Aspires mit. Dieses Programm kann einen Anstoß dazu geben, die Kultur zu verändern.“
Foto: Microsoft
Ein heißes Thema für die Mentees sei beispielsweise Employer Branding gewesen, berichtet Alina Rückert, Solution Specialist für Modern Work bei Microsoft und Mitglied im Mentoring-Orga-Team. „Unternehmen interessieren sich zur Zeit stark dafür, wie sie Nachwachstalente an Bord holen können.“ Wo früher noch das Gehalt an oberster Stelle stand, ist heute die Verantwortung und Flexibilität am Arbeitsplatz für Absolventen wichtig. Die erste informelle Präsentation beim CTO-Forum sei jedenfalls auf großes Interesse gestoßen, erinnert sich Rückert: „Das hat uns ermutigt, den Ansatz des Reverse Mentoring weiter zu verfolgen und ihn vor über 60 CTOs auch offiziell im Forum vorzustellen.“
Gut austariert: ein bisschen Microsoft, aber nicht zu viel
Nürnberger und Rückert selbst agieren nicht als Mentor – aus der Erkenntnis heraus, dass sie nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit ihre „Microsoft-Brille“ nicht mehr abnehmen können: „Wir haben bei uns gezielt nach Nachwuchskräften gesucht, die erst vor kurzem ihr Studium beendet haben, aber bereits praktische Erfahrungen in der Digitalbranche sammeln konnten“, sagt Rückert.
Die Aspires seien täglich umgeben von neuen Technologien und Eindrücken aus verschiedenen Branchen. Damit sind sie nicht nur Digital Native aufgrund ihres Alters, sondern können sich auch bei technischen Fragestellungen einbringen: „Wir haben viele interessante Aspires bei Microsoft, die sich mit Digital Collaboration, KI oder Datenplattformen im deutschen Mittelstand auskennen.“
Zum Konzept gehört, dass sich Mentor und Mentee sympathisch sind und knapp ein Jahr zusammenbleiben, „um Vertrauen aufzubauen“. Umgesetzt wird dies über ein Speed Dating mit mehreren Kandidaten für jeweils fünf Minuten, wegen Corona alles remote via Teams. Danach wurden Präferenzen abgefragt: „Der CTO konnte drei präferierte Mentoren nennen, die Mentoren konnten sich drei CTOs wünschen.“
Sympathie und Vertrauen remote aufbauen
Nach dem Matching der Paare wurden individuelle Themenpläne erarbeitet, die für den CTO relevant sind – als Diskussionsgrundlage für die zehn einstündigen Sessions im Verlauf des Jahres 2021, berichtet Rückert: „Das große Interesse der CTOs, nach der Vorlaufphase endlich im Februar die Dialoge aufzunehmen, war deutlich zu spüren.“ Und auch die Microsoft-Aspires brannten auf den ersten Einsatz.
Davor waren 14 Mentoren aus knapp 30 Bewerbern ausgewählt worden. Alle mussten ein Bewerbungsvideo drehen zu ihrer Motivation und den Themen, über die sie mit den CTOs diskutieren wollten.
Zudem wurden sechs Fragen gestellt, darunter sollte der Mentor den CTOs ein Buch, einen Podcast oder einen Film empfehlen sowie eine These aufstellen, welchem spektakulären Irrtum die Menschheit heutzutage unterliegen könnte. „Die Fragen waren komplett losgelöst vom Reverse Mentoring“, berichtet Rückert. „Wir wollten ausloten, wie der Aspire denkt, ob er über den Tellerrand hinausschaut und welche Impulse er im Gespräch setzen kann.“
Die Sprache des Top-Managements lernen
Positive Anregungen – darauf setzen natürlich auch die Reverse-Mentoren. Schließlich hat der Deal zwei Gewinner. „Das ist ein ziemlich spannender Schritt für Menschen, die relativ neu im Berufsleben sind“, argumentiert Nürnberger. Sie bekämen die seltene Möglichkeit, ihre kommunikativen Skills mit dem Top-Management zu trainieren und sich aus erster Hand aktuelles Industrie-Know-how anzueignen. „Für eine Plattformfirma wie Microsoft ist es essenziell, immer wieder zu lernen und zu verstehen, wo die Herausforderungen unserer Kunden liegen.“
Hinzu komme laut Nürnberger der Challenging-Gedanke – wenn man als junger Mensch jemandem mit deutlich mehr Berufserfahrung und Verantwortung als Ratgeber gegenübersitzen muss. „Man wächst mit seinen Aufgaben.“ Auf die Erfahrungen könne man später zurückgreifen, um in Kundengesprächen bisweilen unangenehme, aber notwendige Fragen zu stellen.
Das erste Jahr des Reverse Mentoring ist als Pilot geplant, dann wird Bilanz gezogen. „Wir waren ziemlich aufgeregt, als wir das Konzept präsentiert haben“, räumt Nürnberger rückblickend ein. „Aber das Feedback und die Stimmung beim Matching waren toll, und die positive Energie der Teilnehmer war deutlich zu spüren.“ Daher ist er optimistisch, dass die Anfangseuphorie im Laufe des Jahres nicht auf der Strecke bleibt. Im Sommer ist noch ein Bergfest geplant, auf dem die Paare von ihren Erfahrungen berichten sollen. „In jedem Fall werden wir viel lernen für die nächsten Runden.“
Wie sich die teilnehmenden CTOs organisieren
Das Deutsche Institut für Erfindungswesen e.V. ist Trägerverein der Rudolf-Diesel-Medaille und war zuvor unter den Namen „Deutscher Erfinder Verband“ und später als „Institut für Erfinder“ bekannt. Mit rund 150 Mitgliedern bildet das CTO-Forum der Dieselmedaille die größte CTO-Organisation in Deutschland.
Warum ausgerechnet diese beiden Partner zusammengefunden haben und warum es nichts bringt, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, das diskutieren Microsoft-Geschäftsführer Andre Kiehne und Professor Dr. Alexander Wurzer vom Deutschen Institut für Erfindungswesen im Interview. Lesen Sie, wie der Clash of Generations für die richtige Energiemenge sorgt, damit sich etwas bewegt.
Haben wir Ihr Interesse für das Reverse-Mentoring-Programm von Microsoft geweckt? Sie können gerne mit Alina Rückert, Iptihar Iliyar und Akio Nuernberger über LinkedIn Kontakt aufnehmen, um das Programm im eigenen Unternehmen vorzustellen.
Alle Artikel aus Modernes Arbeiten
Entdecken Sie Strategien und Technologien, mit denen Sie mehr Flexibilität am Arbeitsplatz schaffen.